Projektskizze Blindenleitsystem / Ideenbahnhof/ Deutsche Bahn AG

Projektziel:

Erhöhung der Selbstständigkeit und Mobilitätszuwachs von blinden und sehbehinderten Reisenden

Definition der Zielgruppe

Durch zahlreiche Gespräche mit Betroffenen hat sich ergeben, daß das Ideal der Selbstständigkeit nicht in allen Szenarien zu erfüllen ist und nicht wünschenswert erscheint.
Da der Aufwand, der von den Betoffenen zu leisten ist, um zu einer relativen Selbstständigkeit im Alltags- und Berufsleben zu gelangen, sehr hoch ist und ständiges Training erfordert und der Erfolg oft mit der Tagesform und der Konzentationsfähigkeit schwankt, gibt es individuelle Unterschiede und Leistungsniveaus.

Beispiel:
Ein älterer Blinder, der sich lediglich traut, sich in seiner unmittelbar bekannten Umgebung zu bewegen,(Wohnblock, Laden an der Ecke) wird sich nicht zumuten, aufgrund des anstehenden Besuchs bei seinen Verwandten selbst durch das eleganteste Leitsystem zu navigieren. Dieser Person ist nach wie vor mit einer Begleitung besser geholfen. (Reisevoranmeldung, Mobilitätshotline)

Dieses gilt im Allgemeinen für Personen aus dieser Gruppe, die singuläre Reisen unternehmen, im Gegensatz zu berufsbedingten Pendlern etwa, die die Chance haben, sich mit den Gegebenheiten vertraut zu machen.

Fazit:
Als Zielgruppe im engeren Sinne sind blinde und sehbehinderte Personen anzusehen, deren Reisekette sich öfter wiederholt. Hier gibt es einen erheblichen Optimierungsbedarf und die Chance zur Neukundengewinnung.


Handlungs-Szenarien

Hier besteht die Forderung der Betroffenen nach Einfachheit und Überschaubarkeit. Es wird nicht als nützlich angesehen, den Zugriff auf alle theoretisch denkbaren Freiheitsgrade zu haben, sondern die Kernszenarien stressfreier und sicherer zu meistern.

Diese sind:
  • Navigation von Taxi, Straßenbahn / Bus , Bahnhofsvorplatz zum Zugabteil

  • Navigation vom Zugabteil zum Ausgang -> Taxi, Straßenbahn / Bus

  • Navigation vom Zugabteil zum Zugabteil oder S- bzw. U-Bahn (Umsteigen)

  • Navigation von den genannten Ausgangspunkten zu Reisezentrum
    (Servicepoint), Toiletten, Restaurant evtl. Einkaufsmöglichkeiten oder vice versa.


Umsetzung

Anforderungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht

Da es zur Zeit nur unzureichende Potentialdaten bezogen auf das Reisendenverkehrsaufkommen dieser Subgruppe der mobilitätseingeschränkten Personen gibt, erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine betriebswirtschaftliche Kosten-Nutzen Analyse nicht möglich.
Es ist jedoch anzunehmen, daß der Personenkreis relativ zum Gesamtaufkommen klein ist.

  • Das System muß kostengünstig in der Herstellung sein.

  • Das System muß kostengünstig in der Wartung und in den Folgekosten sein.

  • Das System sollte möglichst ohne aufwendige bauliche Maßnahmen modular
    erweiterbar sein und mit den Anforderungen wachsen können.

  • Das System muß sich in das Gesamtkonzept der angestrebten Service-und
    Imageverbesserungen einpassen ( Funktionalität/Ästhetik<->Corporate Identity)
    (Verwendung von Materialien, deren Einsatz schon an anderer Stelle geplant ist
    usw.).

Anforderungen der Nutzer

In den Verkehrsausschüssen der Blinden und Sehbehinderten wird seit Mitte der 80´er Jahre immer wieder der Einsatz elektronischen Informationsanforderungssystemen diskutiert.
Hierzu gab es auch Modell-Versuche ( BILOS 1990/Hamburg), GPS-System , ORTI.
Neben den unbestreitbaren Vorteilen wurden jedoch zwei generelle Nachteile eines solchen Systemansatzes formuliert:

  • Das System macht abhängig von Spezialelektronik (Beschaffung von Batterien, Verlust, Reperatur, Handling)

  • Da die Informationen aus Ohrhöhrern kommen, können sie wichtige aktuelle akustische Informationen aus der Umgebung verdecken. (z.B. das Herannahen eines Autos oder einer Straßenbahn)
  • Ein weiterer Nachteil sind die zum Teil erheblichen Kosten zum Teil verbunden mit der Notwendigkeit der flächendeckenden Installation.

Fazit:
Dem gegenwärtigen Diskussionsstand entsprechend hätte ein Leitsystem gute Chancen angenommen zu werden, wenn es gelänge akustische und taktile Orientierungshilfen so zu kombinieren, daß sie

  • einfach und überschaubar sind

  • die Forführung bereits im Mobilitätstraining erlernter Orientierungsstrategien
    ermöglichen

  • die Integration und Verstärkung bereits bestehender "natürlicher"
    Orientierungspunkte leistet

  • keine Abhängigkeit von Spezialelektronik hervorrufen

  • im Bereich der Akustik neben den funktionalen Aspekten ( Gehalt, Prägnanz,
    Informationstiefe etc. der Sprachansagen) auch die ästhetischen Vorlieben
    berücksichtigen (Sound, Art der Geräusche, Klang der Stimme)


Realisierung

Die folgenden Vorschläge verstehen sich als Komplementärmaßnahmen zu taktilen Bodenindikatoren (Rillenplatten, Teppichböden, Aufmerksamkeitsfelder), Beschilderung der Auf- bzw. Niedergänge in Blindenschrift zu den Bahnsteigen etc.

A
Installation von mehreren akustischen Springbrunnen in Kombination mit Reliefkarten, die an wichtigen Kreuzungspunkten aufgestellt werden. Diese können unter Einbeziehung von Künstlern aus der Region individuell gestaltet werden.
Raumakustische Maßnahmen zur Verstärkung "natürlicher" Orientierungspunkte.

B A+
in die Karte integrierte Anforderungstasten, die eine Standortbeschreibung durch Ansagetexte liefern.
Stereo Signalketten aus über den Personen angebrachten Lautsprecherpaaren geben die relative Richtungvom Standort zu den durch die Tasten repräsentierten Orten an.

C B+
gesondertes Tastenanforderungsfeld zur Textabfrage und Gebrauchsanweisung und verschiedenen Informationstiefen.